Europäische Initiative für einen Verhandlungsfrieden in Sri Lanka

Erstunterzeichner
Jean Ziegler, Professor an der Universität Genf
Rev. Alexander Reid, Irland
Alle Unterzeicher

Wir, eine Gruppe von Südasienwissenschaftlern, Universitätslehrern und Menschenrechtsaktivisten aus verschiedenen europäischen Ländern sind tief bestürzt über die Ende September 2005 ergangene Entscheidung der EU, ein Reiseverbot über Delegationen der Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) zu verhängen und deren Listung als ‘Terrororganisation’ darüber hinaus aktiv in Erwägung zu ziehen.

Mit einem Schlag hat die EU die für eine Vermittlung jedweder Art unabdingbare Neutralität und Unparteilichkeit gegenüber den Kontrahenten eines Konflikts aufgegeben. Dies ist angesichts der politischen Bedeutung der EU als Ko-Chair der Tokioter Geberkonferenz (Tokyo Donor Conference) und seiner starken Wirtschaftsbeziehungen mit Sri Lanka im Bereich des Außenhandels, des Tourismus, der Kreditvergabe und Entwicklungshilfe umso bedauerlicher. Denn anstatt ihren Einfluß in Colombo zur Geltung zu bringen, um die seit nunmehr zwei Jahren ausgesetzten Friedensverhandlungen mit der Tamilenbewegung mit ernsthaften Angeboten wieder zu beleben, hat sich die EU mit ihrer Entscheidung einfach auf die Seite der Regierung geschlagen und damit jene politischen Kräfte in der singhalesischen Gesellschaft gestärkt, die auf eine militärische Lösung der Tamilenfrage drängen. […] So hat sich der eben gewählte Präsident des Landes, Mahinda Rajapakse, und die ihn stützende Parteienkoalition gegen jedwede Form der Dezentralisierung und Teilung der Macht mit den Tamilen und für den von der sinhala-buddhistischen Mehrheit kontrollierten zentralistischen Einheitsstaat ausgesprochen. Alle Kompromisse, die mit Hilfe Norwegens in den vorangegangen vier Jahren des Friedensprozesses erreicht worden waren, sind damit ungültig; auch die von seiner Amtsvorgängerin getroffene bilaterale Vereinbarung zur Verteilung der dringend benötigten Hilfsgüter unter den von der Tsunami betroffenen Tamilen hat der neue Präsident für nichtig erklärt. Die Grundvoraussetzung des Waffenstillstands und der Friedensverhandlungen, nämlich eine Interimslösung im Rahmen interner Autonomie in einem föderalen Staat zu suchen, sind damit in Frage gestellt.

Die EU scheint auch die Ursachen des Konflikts, die traurige Menschenrechtsbilanz aufeinander folgender Regierungen des Landes und die seit Jahrzehnten andauernde kollektive Diskriminierung der Tamilen, wozu blutige Pogrome, zahllose außergerichtliche Tötungen, Verschwindenlassen und Folter zählen, vergessen zu haben. Diese von den Sicherheitskräften des Landes im Schutze des seit 25 Jahren fast ununterbrochenen Ausnahmezustands zu verantwortenden Menschenrechtsverletzungen gehen dem Bürgerkrieg voraus und können nicht als Reaktion auf die bewaffnete Gewalt der LTTE erklärt und legitimiert werden.

Welches immer die Kritik an den Politiken und Methoden der LTTE, sie repräsentieren für eine Mehrheit der srilankanischen Tamilen die Aspirationen ihres Volkes. Angesichts dieses Sachverhalts ist die EU Entscheidung alles andere als eine internationale Unterstützung des bilateralen Friedensprozesses. Im Gegenteil, sie stört das Kräftegleichgewicht, ist konfliktverschärfend und mag durchaus den Anstoß für eine Wiederaufnahme der Feindseligkeiten geben.

Wir, die Unterzeichnenden, haben uns zusammengefunden in der Absicht, ein differenziertes und ausgewogenes Bild der Lage auf Sri Lanka in Europa zu vermitteln. Wir wollen mithelfen, dass die EU bei den beiden Kriegsparteien Glaubwürdigkeit als unparteiischer Partner gewinnt, der dazu beiträgt, auf dem langen steinigen Pfad zu einem gerechten Frieden voranzuschreiten. Unser Ziel ist zu informieren und zu mobilisieren. Wir richten uns an die europäische Öffentlichkeit; vor allem aber an politische Parteien und Entscheidungsträger auf nationaler wie europäischer Ebene, einschließlich internationaler, in Europa ansässiger Organisationen.

Einseitige Reiseverbote und Proskiption einer Partei sind völlig untaugliche Mittel für Verhandlungen. Erfolgreiche Friedensstrategien basieren auf Dialog. Auch die EU darf diese Grundtatsache nicht einfach außer Acht lassen. Wir wollen eine Aufhebung des EU-weiten Reiseverbots für offizielle Delegationen der LTTE erreichen. Wir wollen verhindern, dass die EU die LTTE als ‘terroristische Vereinigung’ ächtet. Dies wäre eine die Lage in Sri Lanka äußerst destabilisierende Maßnahme. Mehr noch, sie würde auch eine beträchtliche Zahl der Hunderttausende gesetzestreuen tamilischen Flüchtlinge in Europa in die Illegalität treiben.

Wir rufen alle Gleichgesinnten auf, bei der Realisierung unserer Anliegen mitzuwirken und sich unserer Initiative anzuschließen.

„Europäische Initiative für einen Verhandlungsfrieden in Sri Lanka“ – Prof. John Neelsen (Deutschland) und Prof. Peter Schalk (Schweden) – 22.12.05

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